Eine Reise durch Weingärten auf den Spuren der Spiritualität

Lassen wir einen Tag Bibione hinter uns, um die Weinstraße D.O.C. Lison-Pramaggiore zu erkunden, die durch ihre lange Geschichte, ein unendliches Labyrinth von Weingärten und traumhaft schönen Landschaften geprägt ist, ein Zeugnis von Spiritualität, die in prunkvollen Abteien und trauten Kirchlein zu spüren ist. In diesem Hinterland, zwischen den Flüssen Livenza und Lemene sowie der Lagune von Bibione und Caorle, steht einzig und allein der Wein im Mittelpunkt des Geschehens. Schon seitdem einst der Schriftsteller Plinius ihn „helos” nannte und erzählte, wie diese Rebe in den Sümpfen von Opitergium und Concordia angebaut wurde. Weine, die auch von den Patriziern und Dogen in der Republik Venedig hergestellt wurden und 1823 vom Königlichen Institut des Wiener Hofes in den ersten offiziellen „Katalog der Rebsorten des Königreichs Venetien“ aufgenommen wurden. Für diese Rebsorten und deren Qualität bürgt heute die Genossenschaft Consorzio Vini Venezia. Seit 1986 ist der Verein „Weinstraße D.O.C. Lison Pramaggiore“ bemüht darum, faszinierende weinkulturelle Routen vorbei an Dörfern, Weingärten, Kellereien und unberührten Landschaften, zu fördern.

Zu den Ursprüngen des Gebiets: Concordia und die römischen Weine

Beginnen wir unseren Ausflug in Concordia Sagittaria, einem berühmten Städtchen römischen Ursprungs, das bequem von Bibione über die SP74 an der Via Aldo Moro zu erreichen ist. Auf halbem Weg biegt man links in die Via Marango ab und folgt der SP42 bis nach Sindacale, wo man rechts in die Via Cavanella einbiegt, die nach Concordia führt. Die ehemals römische Kolonie (1.Jh.v.Chr.) liegt an einem im Kaiserreich strategisch wichtigen Kreuzungspunkt zwischen den Konsulstraßen Annia und Postumia und dem Fluss Lemene. Die Römer spielten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Weinbaus und verfeinerten auch die Techniken der Weinlagerung. Neben den Funden römischen Ursprungs, die das Städtchen zu einer der bedeutendsten Ausgrabungsstätten Norditaliens aufsteigen ließen, ist Concordia auch für seine DOC-Weinreben bekannt. An der Straße, die nach Summaga führt, trifft man auf zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe, die erlesen Weine herstellen, und Kellereien, in denen man den Wein kaufen oder einfach nur verkosten kann.

Summaga und der Wein der Äbte

Lassen wir Concordia Sagittaria hinter uns und folgen der Via San Pietro nahe von San Giusto (Kreuzung mit der SS14), geradeaus weiter in die Via Noiare bis diese in die Via Montecassino übergeht, die nach Summaga führt. Inmitten von Wiesen, die das Dorf säumen, liegt, verborgen wie ein Schatz, die Benediktinerabtei aus dem 10.-11. Jh. mit ihrer heutigen Fassade aus dem 18. Jh. Summaga ist für die Geschichte des Weinbaus eine besonders wichtige Etappe, denn eben hier nahmen die Mönche nach den Zerstörungen durch die Barbaren den Weinbau wieder auf, der in den umliegenden Landen bereits zur Zeit der Römer verbreitet war. Doch bevor es weitergeht, sollten Sie ein Glas Lison DOCG kosten, der hier bereits seit dem 18. Jh. aus den Trauben der Rebsorte Tocai gekeltert wird. Es ist ein Weißwein mit strohgelber Farbe, der an seinen grünlichen Reflexen zu erkennen ist und kühl getrunken wird. Lison ist der einzige Wein aus der Provinz Venedig, der sich der kontrollierten und garantierten Herkunftsbezeichnung rühmen darf, ein Gütesiegel, das ihn den besten Weinen Italiens gleichstellt.

Die Wunder der Madonna und des Weins in einem der schönsten Dörfer Italiens

Weiter geht es zum kleinen Dorf Cordovado, das 2005 aufgrund des besonderen Charmes seines Dorfkerns in den exklusiven Club „Die schönsten Dörfer Italiens” aufgenommen wurde: Dazu verlässt man Summaga auf der Via San Benedetto und biegt rechts in den Viale Treviso (SR63) ein. Im Kreisverkehr wird die zweite Ausfahrt nach links genommen (Umfahrungsstraße Odorico da Pordenone). Am zweiten Kreisverkehr geht es geradeaus bis zum Viale Udine (SP463), der ins Dorf führt. Cordovado, das unzählige Veranstaltungen zum Thema Kirchenkunst zu bietet hat, besitzt eine Kirche, die seit Jahrhunderten Ziel von Pilgerreisen ist. Gemeint ist die Wallfahrtskirche der Madonna aus dem 17. Jh., die im „venetischen Barockstil“ gebaut ist und in der ein Gemälde an deren Gründung erinnert.

Wein- und Kulturgeschichten: der langobardische Schatz von Sesto

Nach Cordovado geht es weiter nach Sesto al Reghena, ein anderer Ort mit einer anderen Geschichte. Denn Sesto ist seit 735 zweier Geschichten, der des Weines, durch den der Weinbau einen starken Aufschwung erlebte (den die Republik von Venedig fortgesetzt hat und der zwischen dem Ende des 19. Jh. und 1950 verfeinert wurde), und der der wunderschönen Abtei von Santa Maria in Sylvis, die sich auf der heutigen Piazza Castello erhebt. Verlassen wir nun diese heilige Stätte, um weiter nach Cinto Caomaggiore zu fahren, um hier einen Rotwein, Lison der Rebsorte Refosco dal Peduncolo Rosso, kennenzulernen. Er wird sowohl als junger Wein, aber auch im Fass verfeinert angeboten (wodurch er ein ganz besonderes Aroma erhält). So passt der Refosco dal Peduncolo rosso ausgezeichnet zu zartem Fleisch wie Wachteln oder auch zu kräftigeren Gerichten wie Filet mit grünem Pfeffer.

„Ketzerische“ Völker und reine Weine in Cinto Caomaggiore

Cinto Caomaggiore liegt an der Grenze zwischen zwei Regionen, Venetien und Friaul, und zwei Flüssen, Caomaggiore und Reghena. In der Ortschaft kommen die Gläubigen in der Kirche des San Biagio aus dem 16.Jh. zusammen, die seit jeher für das Gesellschaftsleben im Ort von Bedeutung war: Zu Beginn des 20. Jh. war sie eine Sammelstelle für Flüchtlinge aus Friaul und Istrien und im Ersten Weltkrieg, als auch die Glocken der Kirche beschlagnahmt wurden, wurde sie als Lazarett umfunktioniert. Ein besonderer Aspekt der örtlichen Spiritualität ist die alte Glaubensrichtung der Täufer, eine radikale, aus der lutherischen Reformation entstandene Glaubenslehre, die sich im 16. Jh. hier und in anderen Gebieten Venetiens verbreitet hatte. Dank seiner günstigen Umweltbedingungen bietet Cinto wahre landschaftliche Juwelen, wie die Seen von Cinto, deren Wasserfauna besonders vielseitig ist und die von den unterirdischen Quellen des Tagliamento gespeist werden. Der ideale Rahmen, um ein kühles Glas Pinot Grigio oder Chardonnay zu genießen, edle Tropfen, die, ob ihres angenehm weichen Aromas und intensiven Duftes ideale Begleiter für Süßwasserfischgerichte sind.

Ein farbenfroher Wein, eine Kirche und ein Baron: das „Dreieck“ Belfiore, Loncon und Pradipozzo

Die alte Römerstraße „Postumia“, auf die wir bereits in Concordia gestoßen sind, führte auch durch Pradipozzo, wo ein kurzer Halt vorgesehen ist, bevor es weiter zur Kirche von Belfiore geht. Davor muss aber unbedingt Pramaggiore besucht werden. In dieser Weinstadt sind verschiedene Monumente kunsthistorisch besonders interessant, wie z.B. die Pfarrkirche der Santa Maria Assunta. Dieses Gebiet ist gemeinsam mit den nahen Orten Belfiore und Loncon das pulsierende Herz der Weinstraße. Bei einem Spaziergang durch den kleinen Ort kann man einen Eindruck vom ursprünglichen Reiz des Dorfes gewinnen; vor kurzem wurde hier auch ein Brunnen römischen Ursprungs entdeckt.

Weiter geht es nach Belfiore mit der letzten Kirche unserer Route, die aus dem 17. Jh. stammt und der Heiligen Susanna geweiht ist. Ebenfalls in Belfiore ist auch die Mühle einen Besuch wert, die Zeugnis für jahrhundertelanges Landleben in diesem Gebiet ablegt und Teil der Villa Dalla Pasqua, einem Bauwerk des späten 19. Jahrhunderts, das sich am rechten Ufer des Flusses Loncon erhebt.

Fast ist es Zeit, die Rückfahrt anzutreten, aber auf ein letztes Gläschen darf nicht verzichtet werden. Verkostet soll es in einer der Weinkeller von Loncon werden, einem kleinen Ort nahe dem gleichnamigen Fluss. Einige der örtlichen Kellereien, so wird berichtet, sollen in den 1930er Jahren der Liebe für den Wein des ungarischen Barons und ehemaligen Marinekommandanten Lajos Babos zu verdanken sein; er soll die strengen Regeln des Militärs auch auf die Arbeit in den Weingärten übertragen und das Schaffen seiner Mitarbeiter zuweilen durch ein Fernrohr kontrolliert haben.

Der langanhaltende Abgang der auf dieser Reise verkosteten Weine wird uns auf der Rückfahrt nach Bibione begleiten, einem der schönsten Badeorte der nördlichen Adria.

www.stradavini.it